„Bunte“: Erfundener Wirbel im Latrinenjournalismus

(Foto: Wikimedia/Olaf Kosinsky)
An der Affäre um den mittlerweile ehemaligen CSU-Generalsekretär Stephan Meyer irritiert mich so einiges. Vor allem dass man in der veröffentlichten Meinung den Eindruck gewinnen musste, als ob ausgerechnet das Gossen- und Latrinenblatt „Bunte“ die Presse- und Meinungsfreiheit hochhalten würde. Selbstredend gilt Art. 5 des deutschen Grundgesetzes auch für die Mitarbeiter/innen der „Bunten“. Das heißt aber noch nicht, dass das, was diese Pipi-Postille aus München fabriziert, irgend etwas mit ernsthaftem Journalismus oder gar investigativer Recherche zu tun hätte. Und das hatte auch die sog. Berichterstattung über den bayerischen CSU-Politiker nicht.
Der Artikel der „Bunten“ ist überschrieben mit „Wirbel um sein uneheliches Kind“. Da fangen aber die Falschdarstellungen bereits an. Denn es gab VOR dieser Poblikation der „Bunten“ überhaupt keinen Wirbel, noch nicht einmal ein zartes Zittern an der Oberfläche der öffentlichen Meinung. Der vermeintliche Wirbel ist ein vollständig selbsterzeugter. Denn was sind die „Fakten“, für deren Nennung die „Bunte“ den Begriff Journalismus missbraucht: Ein unverheirateter bayerischer Politiker hat ein Kind mit einer Frau. Und nun??
Um einen Berichterstattungsanlass irgendwie künstlich zu konstruieren, fabriziert die „Bunte“ irgend einen pseudo-moralischen Schmonzes, so als ob ausgerechnet die Pissoir-Beobachtungsstelle „Bunte“ hierfür eine Autorität darstellen würde:
„Das Private ist politisch. Der kluge Politiker weiß das und versucht sich mit einer schlüssigen Biografie und einem seriösen Lebensstil zu präsentieren – so wie es die Wähler vom politischen Spitzenpersonal erwarten“.
Und weil offenbar selbst den Tugendwächtern der „Bunte“-Redaktion aufgefallen ist, dass damit doch ziemlich an den Haaren herbeigezogen ist, was sie da für ein Haar in der Suppe gefunden zu haben vermeinen, setzen sie noch einen oben drauf:
„Vor allem in der CSU gilt: Es zählen konservative, christliche Werte. Noch immer sind in Bayern fast alle Spitzenpolitiker verheiratet und reden stolz über ihre Familien. Der neue CSU-Generalsekretär Stephan Mayer dagegen ist eine Ausnahmeerscheinung“.
Naja, wie die „Bunte“ eben schreibt: „fast alle“, und im CSU-Parteiprogramm steht davon vermutlich auch nichts. Es bleibt dabei, Stephan Meyer hat sich nichts zu schulden kommen lassen, was erwachsenen Menschen in Deutschland in irgend einer Form verwehrt wäre. Im übrigen hat weder die Mutter des Kindes, noch — wie hinlänglich bekannt — Stephan Meyer zu dieser Geschichte gegenüber der „Bunten“ Stellung nehmen wollen. Was der Artikel der „Bunten“ zu sagen weiß, das weiß er vom Hörensagen: „… Bekannte und Weggefährten von Mayer erzählen übereinstimmend …“, „… wissen Insider …“.
Dass die „Bunte“-Redaktion das Schnüffeln in Unterhosen mit Journalismus verwechselt, ist leider notorisch bekannt. Schon in den 2010er-Jahren hat die „Bunte“ eine Spitzelfirma bezahlt, damit diese Franz Münteferings oder Oskar Lafontaines Liebesleben ausspioniert, und das mit Methoden wie monatelangen Observationen, heimlichen Fotoaufnahmen oder auch präparierten Briefkästen, wie der „Stern“ damals zu berichten wusste.
Stephan Meyer wollte diese Geschichte, die mehr eine „Bunte“-Affäre ist, regeln, wie man solche Konflikte vielleicht in bayerischen Schankstuben regelt. Das war unfein und gegen die Etikette. Aber irgendwie kann man es ihm nicht so ganz verkennen.
 
Über Medienhektor 99 Artikel
Hektor Haarkötter, Prof. Dr., lehrt Kommunikationswissenschaft mit Schwerpunkt polit. Kommunikation an der Hochschule Bonn Rhein-Sieg.

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