Nix lesen ohne viel zu viel Onlinewerbung

Beim Kölner Stadtanzeiger darf man nur lesen, wenn man zwingend zustimmt, dass der Verlag DuMont Schauberg einem Onlinewerbung per Telefon, E-Mail, SMS, Facebook und WhatsApp aufdrängen darf. Das gilt offenbar sowohl für Gelegenheitsleser wie auch für treue Abonnenten.

Vor einigen Jahren hat der Kölner Stadtanzeiger schon einmal versucht, ein Bezahlsystem für sein Onlineangebot einzuführen und ist damit ziemlich gescheitert. Nun unternimmt die Zeitung aus dem Hause DuMont Schauberg einen neuen Versuch, mit dem Online-Auftritt ein kleines bisschen Geld zu verdienen. Auf die journalistischen Produkte darf man nun kostenlos zugreifen, man muss sich aber zuvor mit Namen und E-Mail-Adresse registrieren. So weit, so fair. Nicht so ganz fair ist, dass der ganze Vorgang nur dann weitergeht, wenn man bei der Registrierung zwei Pflichthäkchen in den Kästen macht, die nicht nur die „Datenschutzerklärung“ anerkennen, sondern auch das Einverständnis,

„dass mich der Verlag M. DuMont Schauberg GmbH & Co. KG per Telefon, E-Mail, SMS, Facebook und WhatsApp über passende Leserangebote zu seinen Verlagsprodukten informiert“.

Im weiteren heißt es, dies könne man nur „teilweise widerrufen“ (welcher Teil, das wird nicht gesagt). Der Passus schließt mit den Worten:

„Die Zustimmung wird ausdrücklich als vertragliche Gegenleistung für das zur Verfügung gestellte Angebot vereinbart“.

(eigener Screenshot)

Schon für einen Gelegenheitsleser, der ohne Bezahlung umsonst die Onlineartikel des Kölner Stadtanzeigers lesen möchte, scheint das eine viel zu weit gehende Pflichtübereinkunft. Zugegeben, Journalismus kostet Geld und muss finanziert werden, auch online. Hier wird aber ein Blankoscheck gefordert, der für den unkundigen Leser unabsehbare Folgen haben kann. Wozu dann noch eine „Datenschutzerklärung“, wenn man all seine Rechte auf informationelle Selbstbestimmung ohnehin an den Verlag DuMont Schauberg abtreten muss?

Und das ist noch nicht alles. Die Knebelpassage gilt offensichtlich nicht nur für die nicht-zahlenden Gelegenheitsleser, sondern auch für Abonnenten des Kölner Stadtanzeigers, die in der Tat ja bereits eine Gegenleistung für den journalistischen Service des Hauses aus der Amsterdamer Straße in Köln erbracht haben, nämlich in barem Geld. So verärgert man gerade den Teil des Publikums, der zum treuesten und folgsamsten gehört, anstatt die eigene Digitalisierung damit anzukurbeln, dass man gerade diese treuen zahlenden Leser auch online an sich bindet.

Wer Print bezahlt und das in der Regel nicht gerade knapp, der sollte online von den Medienhäusern stark bevorzugt und besser gestellt werden. Ein Produkt, eine Zahlung: Das wäre eine Logik, die auch online sinnvoll ist. Bei DuMont Schauberg (und bei vielen anderen Verlagen) hat man das noch nicht verstanden.

 

Über Medienhektor 99 Artikel
Hektor Haarkötter, Prof. Dr., lehrt Kommunikationswissenschaft mit Schwerpunkt polit. Kommunikation an der Hochschule Bonn Rhein-Sieg.

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