SZ: Online-Haussegen hängt schief

Bei der Süddeutschen Zeitung hängt der Haussegen schief, und das ausgerechnet wegen eines Beitrags der SZ-Digital-Chefin Julia Bönisch. In einem Beitrag für die Zeitschrift „Journalist“ beschreibt Bönisch die Tätigkeit von Onlinern und die Situation von Frauen in Chefpositionen von Medienfirmen. Ihre Äußerungen zeigen, dass der Journalismus.online sich vielleicht doch weiter vom Journalismus entfernt, als den FreundInnen des Journalismus lieb sein könnte.

Ganz schön selbstbewusst, der Auftritt der SZ-Online-Chefin Julia Bönisch. Aber was sie äußert, sollte man wirklich einmal bedenken, denn es ist durchaus bedenklich. Sie schreibt:

„Für manche Kolleginnen und Kollegen in der Branche bin ich ein Affront. Frau, Onlinerin, noch keine 40 – damit stehe ich für fast alles, was unbequem und lästig ist: für Veränderung, für Digitalisierung, für einen Generationenwechsel, der auch Frauen an die Spitze bringt. Das nervt viele, und das kann ich verstehen. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre ein Journalist, Mitte 50, und würde jetzt bemerken, dass vieles von dem, was ich kann und weiß, nicht mehr wichtig ist: Ja, das wäre unangenehm“.

Wenn man den Text weiterliest, kann man vor allem zwischen den Zeilen viel darüber lesen, wie es um den Haussegen bei der Süddeutschen Zeitung bestellt sein muss, nämlich nicht sonderlich gut. Was man von Insidern schon länger hinter vorgehaltener Hand zu hören bekommt, wird von Bönisch doch recht explizit formuliert: Dass es mit der Kollegialität in der SZ-Redaktion nicht weit her ist und dass es offenbar mitunter zu Verhaltensweisen kommt, die man schon als Mobbing bezeichnen könnte. Und dass die Frontlinie dabei offenbar vor allem auch nach wie vor zwischen Onlinern und Offline verläuft:

„Wäre ich ein wütender mittelalter Mann, würde ich mich sicher wehren, vielleicht auch mit unlauteren Mitteln. Ich würde die Eignung von Onlinern und Frauen infrage stellen: Können die das überhaupt, den Journalismus an sich und das Führen grundsätzlich? Ich würde sie doppelt so hart rannehmen wie meine Printkollegen, kritischer beäugen, subtilere Spitzen setzen“.

Die Veränderung, die durch die Digitalisierung geschehen ist, ist eine inhaltliche, nämlich weg von den Inhalten. Für Bönisch ist die Tätigkeit einer Ressortchefin oder Chefredakteurin heute keine genuin journalistische mehr, sondern eine Managertätigkeit:

„Früher sind diejenigen Kollegen (ja, ich benutze hier bewusst nur die männliche Form) zum Ressortleiter befördert worden, die die besten und wuchtigsten Texte schrieben. Waren sie dann in einer Leitungsposition, taten sie das, was sie am besten konnten: wuchtige Texte schreiben. Dabei war das ja vielleicht gar nicht das, was ihre Mitarbeiter von ihnen verlangt oder gebraucht hätten – und vielleicht auch nicht das, was das Unternehmen vorangebracht hätte. Nachwuchsarbeit, der Aufbau und die Förderung junger Kolleginnen und Kollegen, das Formen und Führen eines Teams, Formatentwicklung, die Auseinandersetzung mit neuen Geschäftsmodellen und mit einer neuen Generation von Leserinnen und Nutzerinnen – all das stand hinten an“.

Hier sollte man allerdings einmal innehalten und nachdenklich werden: Sollen JournalistInnen, die in ihrem Medienhaus Karriere machen wollen, wirklich auf Manager umschulen? Sind sie überhaupt dafür ausgebildet? Werden JournalistInnen, gerade im Online-Bereich (aber nicht nur da), wirklich bald nur noch die Verwalter und Manager der Texte fremder Leute sein? Wäre dies so, hätte das natürlich Konsequenzen, die weit über die Redaktionsorganisation hinausgehen. Dann müsste nämlich die ganze Ausbildung sich ändern, dann müssten Hochschul-Curricula geändert werden, dann müsste das komplette Berufsbild auf den Kopf gestellt werden. Man fragt sich dann natürlich auch, wozu eigentlich die Horden an BWLern und Medienmanagern an den deutschen Hochschulen ausgebildet werden, wenn die Managementaufgaben künftig auf den Schultern der Redaktionen und RedakteurInnen ruhen soll. 

Zuvor schrieb ich, der Trend sei vielleicht nicht nur im Online-Bereich zu finden. In meiner eigenen praktischen journalistischen Tätigkeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe ich selbst erlebt, dass die allermeisten festangestellten RedakteurInnen mit eigentlicher journalistischer Arbeit nicht mehr viel zu tun hatten und eher Verwalter des eigenen Programms waren. Man muss dann aber schon fragen, was eigentlich noch Journalismus heißt und wer eigentlich die journalistische Tätigkeit in Zukunft ausüben soll. Und wenn wir schon beim Fragestellen sind: Dann müssten wir natürlich auch danach fragen, in welchen Arbeitsverhältnissen diese journalistische Tätigkeit dann stattfinden soll. Immer noch gilt Journalismus als öffentliche Aufgabe. Ich habe noch nicht davon gehört, dass Management zu den öffentlichen Aufgaben gezählt wird.

„Grillfest“

Speziell die Offline-Männer ihrer Redaktion kommen bei SZ-Online-Chefin Bönisch nicht gut weg: Offenbar hat sie in der Hultschinerstraße in München einiges einstecken müssen und schlägt jetzt mal mit dem Holzhammer zurück. Die taz weiß zu berichten, dass es in der vergangenen Woche eine Versammlung in der SZ gegeben habe, bei der Bönisch sich vor 150 KollegInnen habe rechtfertigen müssen. Die Aussprache soll auch als „Grillfest“ bezeichnet worden sein, weil Bönisch von ihren KollegInnen so hart angegangen worden sei. Dabei haben die KollegInnen aus dem Betriebsrat wohl vor allem darauf hingewiesen, dass es  bei der SZ ein Betriebsstatut gibt, demzufolge Verlag und Redaktion strikt getrennt sein sollen. 

 

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Hektor Haarkötter, Prof. Dr., lehrt Kommunikationswissenschaft mit Schwerpunkt polit. Kommunikation an der Hochschule Bonn Rhein-Sieg.

2 Kommentare zu SZ: Online-Haussegen hängt schief

  1. Mich ärgert immer sehr, dass Journalisten über 50 offenbar für völlig unfähig gehalten werden, online nicht nur zu mögen, sondern sogar dafür zu arbeiten. Ich bin schon bald eine Journalistin mit einer 6 vor dem Lebensalter und habe viel Spaß daran, Geschichten für online aufzubereiten. Also bitte: nicht immer alle erfahrenen Kollegen über einen Kamm scheren.

    • Ich verstehe das sehr gut. Da ich ja in der Ausbildung tätig bin, wundere ich mich auch mal, dass die sogenannten Digital Natives häufig alles andere als profundes Computerwissen haben.

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