Vor 10 Jahren: „Online first“

Vor 10 Jahren tauchte zum ersten Mal die Devise „Online first“ auf: Erst beim britischen „Guardian“, dann bei Springers „Welt“ oder auch bei den „Westfälischen Nachrichten“ in Münster. Daran erinnert Paul-Josef Raue in seiner Kolumne im Medienmagazin „Kress“. Allerdings sei der Optimismus von vor 10 Jahren verschwunden: Vor allem die schwierige Finanzierungslage des Journalismus.online setzt den Redaktionen zu, mit Onlinewerbung alleine ist der redaktionelle Alltag kaum zu finanzieren:

„Mittlerweile sind sich die Verlage sicher: Mit Werbung ist ein Qualitäts-Angebot nicht zu finanzieren. Einige Verlage haben etliche Millionen verspielt beim Aufbau von regionalen 24-Stunden-Portalen; andere bekommen überregionale Nachrichten-Portale nicht in die Gewinn-Zone gegen Konkurrenten, die kostenlos üppige Angebote produzieren, nicht nur bei den Öffentlich-Rechtlichen“.

An der journalistischen Qualität, so Raue, könne es eigentlich nicht liegen. In kaum einem Land finde der Bürger einen so anspruchsvollen und professionellen Journalismus vor. Der Kolumnist Raue stellt darum einige Zukunftsfragen. Zum Beispiel fragt er sich, wie künftig Redaktionen und Verlage organisiert sein müssten, um die gewünschte Qualität zu erreichen:

„Einige Aufgaben müssen die Verlage vorab erledigen: Das Online-Abo muss mit zwei, drei Schritten abzuschließen sein (was der Vertrieb gern als unmöglich beschreibt, auf SAP verweist und auf alle denkbaren Hindernisse, die allerdings keinen Kunden interessierten); sie müssen herausfinden, für welche Artikel der Nutzer Geld ausgeben würde – und wann er die Artikel lesen möchte“.

Zweitens fragt Raue, wer künftig mit am Redaktionstisch sitzen solle. Denn neben die genuinen JournalistInnen treten vermehrt „Daten-Jongleure“, VideoexpertInnen, ProgrammiererInnen und so weiter. Auch die Verjüngung ist, drittens, ein Problem: Nach Meinung Raues hätten viele Verlage aus Kostengründen eine ganze Generation an VolontärInnen und JungredakteurInnen verloren. Viertens fragt Raue nach dem Beitrag des Lokalen für den Journalismus.online. Und schließlich fünftens kommt Raue auf die Bedeutung des Journalismus für die Demokratie und die Gesellschaft zu sprechen.

Aus „online first“ heute einfach „User first“ zu machen, sei ein Etikettenschwindel. Es müsse vielmehr grundsätzlich gefragt werden, wie Redaktionen sich selbst wandeln könnten, bevor im Zeitalter der Digitalisierung andere es für sie tun.

Weiterlesen: Paul-Josef Raue „Ist der Journalismus mit Online first zu retten?“

Über Medienhektor 99 Artikel
Hektor Haarkötter, Prof. Dr., lehrt Kommunikationswissenschaft mit Schwerpunkt polit. Kommunikation an der Hochschule Bonn Rhein-Sieg.

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