Wikipedia feiert Geburtstag

(Foto von Gerd Altmann auf Pixabay)

Die Online-Enzyklopädie Wikipedia feiert Jubiläum. Vor 20 Jahren wurde sie von einem Internet-Unternehmer aus der Taufe gehoben. Der kollaborative Schreibstil ist zugleich der Erfolg wie auch das größte Problem von Wikipedia. Das nennt man dann wohl Dialektik.

Enzyklopädie aus dem Geiste des Pornos

Im März 2000 startete der Internet-Unternehmer Jimmy Wales mit dem damaligen Doktoranden der Philosophie Larry Sanger über das Unternehmen Bomis ein erstes Projekt einer englischsprachigen Internet-Enzyklopädie, die Nupedia. Bomis probierte in der Frühzeit des WWW in den 1990er Jahren alles Mögliche aus, um ein Geschäftsprinzip zu entwickeln. Ökonomischen Erfolg hatte Bomis aber nicht so sehr mit allgemein bildenden Wissensinhalten, sondern mit „xxx-rated material“, also Erotikfotos, die unter so sprechenden Rubriken wie „Bomis Babes“ oder „The Babe Engine“ ins Internet gespielt wurden. Ironie der Geschichte, dass Jimmy Wales und sein Bomis-Unternehmen schließlich durch ein unkommerzielles Projekt zu Weltruhm (oder was in den Weiten des Internets dafür gehalten wird) kamen.

Die ursprüngliche Nupedia war noch eine redaktionell arbeitende Online-Enzyklopädie mit Redakteur:innen, die ihr Expertenwissen in aussagekräftige Lexikonartikel gießen sollten. Parallel lernten die Nupedia-Macher das Wiki-Prinzip kennen, das es erlaubte, dass die User in ein und derselben Weboberfläche einen Artikel rezipieren, aber auch editieren konnten. In kurzer Zeit explodierte die Anzahl der Artikel dieses kollaborativen Projekts, das treffenderweise den Namen Wikipedia erhielt. Jimmy Wales gründete wenig später die gemeinnützige Wikimedia Foundation und übergab ihr die Namensrechte und auch die Server der Online-Enzyklopädie.

Wikipedia als Recherche-Instrument?

Taugt Wikipedia als Recherchier-Werkzeug? Selbstverständlich taugt sie dafür. Bestens sogar. Wer bei seiner Arbeit ohnehin stundenlang vor dem Computerbildschirm sitzt, der wird bei Allgemeinwissenslücken, Definitionsfragen oder Personenrecherchen immer wieder auch Wikipedia konsultieren, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Warum auch nicht, gibt es doch wirklich exzellente Wiki-Artikel, die erschöpfend über ein Sachgebiet unterrichten können.

Aber hier liegt auch das Problem von Wikipedia: Woher weiß ein User denn, ob ein Artikel nun ein guter Artikel ist, ob er valide Informationen enthält, einer Überprüfung standhält und unparteiisch ist? Bei einer redaktionell gestalteten Enzyklopädie, ob online oder offline, garantiert eine Redaktion mit ihren Redakteur_:innen und Autor:innen für die Qualität der Beiträge. Bei einer gedruckten und kommerziell vertriebenen Enzyklopädie gibt sogar noch ein (renommierter) Verlag das Versprechen, gute Arbeit abzuliefern. 

Ein kollaboratives Schreibprojekt kennt aber nicht „den“ Autor oder „das“ Gewissen hinter einer Information. Jeder kann hier mitschreiben, auch interessengeleitete Kommunikation findet auf den Seiten von Wikipedia statt, etwa wenn die Artikel über Spitzenpolitiker:innen oder Wirtschaftsmagnaten geschönt werden sollen.

Die Wikimedia Foundation verweist regelmäßig auf die Weisheit der Vielen, die letztlich dafür sorgen soll, dass  durch offene Diskussion sich die wahre Version eines Textes letztlich durchsetze. Aber das ist natürlich etwas blauäugig argumentiert, zumal es bei kollaborativen Schreibprojekten eben auch keinen „letzten Text“ gibt und jederzeit wieder PR-Manager:innen, staatliche Stellen oder andere interessierte Kreise in die Beiträge eingreifen und sie verfälschen können.

Aber selbst wenn Artikel nicht interessengeleitet manipuliert werden, müssen sie noch nicht gut sein. Neben den brillanten Beiträgen zu vielen Wissensgebieten finden sich auf Wikipedia nach wie vor auch einfach schlecht recherchierte, schlecht geschriebene und manchmal auch schlichtweg falsche Einträge. 

Mit der Zeit hat auch bei der Wikipedia eine Art Selbsthistorisierung stattgefunden. Das bringt noch zwei weitere Probleme mit sich: Zum einen veralten auch die Wiki-Artikel, weil sie schlichtweg nicht ständig von einer professionellen Redaktion überarbeitet und auf dem neuesten Stand gehalten werden können. Zum anderen sind mittlerweile viele Artikel zu lange, was gerade auch an der kollaborativen Arbeitsweise liegen kann. Nun ist jedoch der Zweck eines Lexikonartikels die kurze und knackige Information. Wer einen Roman lesen will, wird nicht zu Wikipedia greifen.

Tipps für die Wikipedia-Nutzung

Hier ein paar Do’s & Don’ts für die Nutzung der Wikipedia:

  • Niemals Wikipedia zitieren, vor allem nicht per copy&paste (Höchststrafe!).
  • Die Literaturtipps und Links checken und im Zweifel dort weiterlesen.
  • Zwei-Quellen-Prinzip: Wikipedia-Artikeln nur dann Glauben schenken, wenn die Information auch noch in einer zweiten Quelle zu finden ist.

Und noch ein letzter Tipp: Wikipedia kann aus systematischen Gründen praktisch nur auf Quellen setzen, die selbst digital und online vorliegen. Große Wissensbestände der Menschheit liegen aber nach wie vor nur offline vor. Konsequenz: Der Weg in die nächstgelegene Bibliothek wird auch künftig nicht vermeidbar sein.

Link:

Netzwelt-Podcast auf HR-Info: 20 Jahre Wikipedia – Wie verlässlich ist die Online-Enzyklopädie (Interview mit dem Autor ab 17:12)

 

Über Medienhektor 99 Artikel
Hektor Haarkötter, Prof. Dr., lehrt Kommunikationswissenschaft mit Schwerpunkt polit. Kommunikation an der Hochschule Bonn Rhein-Sieg.

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