Nicht nur journalistische Texte werden von KI produziert. Auch Leser:innen werden mittlerweile von Medien via künstlicher Intelligenz erzeugt.
Das Schweizer Kostenlos-Blatt „20Minuten“ hat am 11. September eine Jubiläumsausgabe zum 25-jährigen Bestehen an 3,26 Millionen Schweizer Haushalte verteilt. In der Mitte der Ausgabe sind unter der Rubrik „Community“ neun Fotos verschiedener Leser:innen abgebildet, die in kurzen O-Tönen sagen, warum sie die Zeitung gerne lesen. Ein junger Herr namens Darrell, der angeblich 23 Jahre alt ist und auf dem Bild relaxt an einem See sitzt, findet die Berichterstattung des Umsonstblattes „neutral und sachlich“, fühlt sich „gut informiert“ und kann sich mithilfe des Blattes „eine eigene Meinung bilden“. Remo, ein weiterer, 28 Jahre alter Leser, weiß als Leser „20Minuten“ immer „schnell und easy“ was „los ist“.
Darrell und Remo sind indes gar keine Leser von „20Minuten“, ja, sie sind nicht einmal echte Menschen! Darauf hat der User Benjamin A. Zeliska (@benizeliska) auf der Plattform Twitter/X hingewiesen und betonte, dass „20Minuten“ seine Leser:innen befragt und dabei „sogar Antworten von Personen“ erhalten habe, „die gar nicht existieren“. Die FAZ und die Website persönlich.com haben auch schon darüber berichtet (Links unten).
Auffällig sei besonders das Bild, das Remo zeigen soll. Twitter-User Zeliska geht davon aus, dass dieses Foto mithilfe der Plattform „ThisPersonDoesNotExist.com“ generiert wurde, was besonders an der Augenpartie zu erkennen sei, für welche die KI „immer die gleichen X- und Y-Koordinaten“ nutze. Die Redaktion von „20Minuten“ bedankte sich auf der Plattform für „den wertvollen Hinweis“ und verwies, nachdem man den Vorfall „intensiv geprüft“ habe, auf die hauseigene Stellungnahme.
Die Chefredakteurin Désirée Pomper gibt darin zu, dass es die beiden auf den vermeintlichen Fotos gezeigten Menschen nicht gebe. Es seien KI-generierte Bilder, auch das Zitat von Darrell habe nie jemand aus der Leserschaft getätigt. Remos Zitat sei echt, wird in der Stellungnahme bekräftigt, wer das aber gesagt haben soll, wird nicht klar. Die Verantwortung weist die Redaktion indes von sich: „Weder die Chefredaktion noch die Redaktionsleitung wurden über diese Handlungen informiert“. Die Vorfälle seien ein fundamentaler Verstoß gegen die „publizistischen Leitlinien“, in denen die Faktentreue als das „oberste Gebot“ formuliert werde.
Man sei den Fall „nun am Aufarbeiten“ und werde „angemessene Maßnahmen ergreifen“. In der Stellungnahme heißt es weiter, dass die Bilder und Text-Bytes aus der Onlinefassung desselben Artikels entfernt worden seien. Man habe außerdem die Autorenzeilen gelöscht, weil die Autor:innen des Artikels angeblich „nichts mit dem Vorfall zu tun haben“.
Kommentar hinterlassen