Krieg auf allen Kanälen, eine Herausforderung für den Journalismus. Manchen scheint es hierzulande schon zuviel Krieg in den Medien. Aber da muss man erstmal in andere Länder gucken!
Kürzlich war ich zu einer wissenschaftlichen Konferenz in Philadelphia (USA). Aus großer Neugierde ließ ich in meinem Hotelzimmer das Fernsehgerät fast ununterbrochen laufen, wenn ich im Zimmer war. Es war genau die Woche, an deren Anfang sich die schreckliche Terrorattacke der palästinensischen Hamas auf den Staat Israel und seine Bürgerinnen und Bürger ereignete.
Dieser Kriegszustand war schon in den deutschen Medien das alles bestimmende Thema. Doch was ich im US-amerikanischen Fernsehen zu sehen bekam, jagte mir ein ums andere Mal Schauder über den Rücken. Dort nämlich lief der Hamaskrieg gegen Israel in Dauerschleife. Journalist:innen mit schusssicheren Westen und Stahlhelm auf dem Kopf standen an den Schauplätzen selbst, infernalisch gerüstet. Es wurden Live-Bilder, YouTube-Ausschnitte von Gräueltaten und dazwischen weinende und verzweifelte Angehörige gezeigt, und das in Dauerschleife, nur unterbrochen von der Fernsehwerbung.
Im US-amerikanischen Fernsehen gibt es deutlich mehr News-Kanäle als in Deutschland. Eigentlich gibt es im Fernsehen der USA nur drei Darstellungsformen: Fernsehnachrichten, Shows und Fiction (Serien und Spielfilme). Da die US-Networks von der Ost- zur Westküste vier Zeitzonen überbrücken müssen, ist eigentlich ständig irgendwo Primetime, sodass die spektakulärsten Bilder dauernd gezeigt werden, um das größtmögliche Publikum zu erreichen. Das Ganze geschieht unter den Bedingungen des Privatfernsehens, denn ein öffentlich-rechtliches Angebot gibt es praktisch nicht. Das heißt, die Sender konkurrieren untereinander um Zuschauerzahlen, denn nur möglichst hohe Einschaltquoten lassen sich monetarisieren durch Werbung.
Die Video- und Bildauswahl folgt denn der einfachen Regel: Je spektakulärer und emotionaler, desto besser. Ausschnitte mit Tötungsszenen, blutgetränkte Bekleidung, auch Leichen werden im US-Fernsehen gezeigt. Medienethisch ist das höchst bedenklich, zumal all das, wie gesagt, zur besten Sendezeit geschieht und ohne jede Triggerwarnung erfolgt. Wer hier zart besaitet ist oder seine Kinder solchen Gewaltvideos nicht aussetzen will, dem bleibt nur abzuschalten.
Regeln für Kriegsberichterstattung
Es gibt wenig explizite Regeln zu Kriegsberichterstattung. Dass mediale Aufmerksamkeit und die Herstellung einer Öffentlichkeit wichtig ist, liegt auf der Hand. Wie das erfolgt, ist aber auch bedenkenswert.
Als ungeschriebenes journalistisches Gesetz im Kriegs- und Krisenjournalismus gilt, dass Reporter:innen weder Waffen, noch Uniformen tragen. Manche Journalist:innen lehnen sogar die Benutzung von schusssicheren Westen ab. Andererseits hat sich seit dem 2. Golfkrieg der Einsatz von „embedded journalists“ etabliert: Solche Kriegsberichterstatter:innen sind in eine kämpfende Einheit „eingebettet“ und tragen auch deren Uniformen — eine luzide Form der Einflussnahme auf die Berichterstattung durch die Militärs, denn man erhofft sich dadurch Identifikation und damit ein positiveres Bild von der eigenen Truppe.
Auch wenn Journalist:innen äußerlich eindeutig als Pressevertreter:innen gekennzeichnet sind, schützt das nicht unbedingt ihr Leben. Kriegsreporter:innen sind eine der am meisten gefährdeten Berufsgruppen. Auch im aktuellen Krieg zwischen der Hamas und Israel sind schon wieder Berichterstatter ums Leben gekommen.
Eine andere Frage ist, was solche Kriegsberichterstatter:innen zeigen und berichten dürfen und sollen. Was sie jedenfalls nicht zeigen sollen, das sind (identifizierbare?) Bilder von Sterbenden und Getöteten. Auch eine allzu deutliche und allzu einseitige Emotionalisierung (die im US-Fernsehen auf jeden Fall vorliegt) ist nicht zu einer objektiven Meinungsbildung angetan. Hier trägt Kriegsberichterstattung zum Kriegschüren bei, verschärft den Konflikt, statt zu deeskalieren. Das wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, zählt aber nicht zu Aufgaben einer der Neutralität verpflichteten Berichterstattung: Egal wie eindeutig Schuldfragen geklärt zu sein scheinen.
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