Wer wissen will, wie schlecht es dem Online-Journalismus wirklich geht, der muss sich nur ansehen, mit welchen Inhalten selbst Vertreter des angeblichen Qualitätsjournalismus werben. Um Qualität scheint es offensichtlich nicht mehr zu gehen, mehr so um Penisse, Vaginen und andere Unterhoseninhalte.
Wenn man sich so umhört, wer die prominentesten Vertreter jener Art des Journalismus.online seien, die man gemeinhein als besonders qualitätvoll ansieht, dann ist Spiegel Online regelmäßig ganz vorne mit dabei. Wenn man allerdings unbedarft durch seine Social Media-Apps scrollt und sieht, mit welchen Inhalten Spiegel Online versucht, im Internet noch LeserInnen zu finden, dann ist von Qualität nicht mehr viel zu sehen. Eher von Unterhoseninhalten. Alles, was untenrum spielt, scheint nach Meinung der Spiegel-Redaktion oder der entsprechenden Social Media-Abteilung gerade noch so geeignet, um ein paar Rest-LeserInnen im Netz der ungeahnten Unmöglichkeiten zu finden.
So weit, so schlüpfrig
Unter der Rubrik „Männergesundheit“, die noch halbwegs sachlich klingt, findet sich dann etwa die Überschrift: „Willkommen im Penis-Workout“. Abbildung dazu: Eine krumme Banane. Man solle aber nicht sagen, der Spiegel sei Penis-zentriert. Beim Nachrichtenmagazin herrscht Gleichberechtigung auch in der Intimzone schlüpfriger Onlinewerbung, und auch die weibliche Vulva bekommt ihr Fett weg. In einer anderen Onlineanzeige liest man und frau unter der Dachzeile „Sexologin über falsche Idealbilder und Tabus“ die Headline: „Schaut hin, eine ganz normale Vulva“. Abbildung: Ein rosa Schlüpfer mit geöffneter Blumenblüte. So weit, so schlüpfrig.
Andere beworbene Artikel des Nachrichtenmagazins Der Spiegel wirken dagegen fast harmlos. Mit „Tut es weniger weh, wenn ich sage, es war nur ein One-Night-Stand?“ wird da etwa fürs eigene Onlineangebot Werbung gemacht. Abbildung dazu: Zwei küssende Männer. Das dahinter steckende Framing, dass schwule Männer eben viel promiskuitiver seien als Heteros, wird hier werbend in kauf genommen. Andere Werbeschlagzeile des Spiegel: „Fremdgehen ist zutiefst menschlich“. So so. Da möchte man doch gerne vor allem journalistisch fremdgehen und sich eine andere Qualitätspoblikation aussuchen, die mit so schnöden wie sachlichen Themen aufmacht wie Haushaltslöchern, militärischen Konflikten oder gar, horribile dictu, sozialen Problemen.
Journalistisches Fremdgehen? Geht nicht
Aber danach muss man, jedenfalls was die Onlinewerbung journalistischer Medien angeht, lange suchen. Denn auch die anderen vorgeblichen Qualitätsanbieter haben offenbar vor allem Unterhoseninhalte zu bieten. Die Süddeutsche etwa wirbt mit der Überschrift: „Die Männer fingen einen Streit an, wer die Klitoris zuerst entdeckt hat“. Einer anderer Qualitätsbeitrag der Süddeutschen, der vor allem penetrative Qualität vorweist, ist überschrieben: „Mein erstes Mal als Escort“. Die soziale Wirklichkeit der Bundesrepublik findet sich hier in einer Schmierenprosa persifliert, die die ganze Schlabbrigkeit der Tagträume der SZ-Chefredaktion widerzuspiegeln scheint: “ ‚Bella‘, eigentlich Medizinstudentin, verbringt die Nächte mit reichen Männern, die sie dafür bezahlen. Folge eins der SZ-jetzt Kolumne (sic!): Wie sie dazu kam und wie ihr erstes bezahltes Treffen verlief“. Ja, wie kam sie nur dazu, diese Redaktion? Zeigt sie womöglich den eigenen Redaktionsmitgliedern berufliche Perspektiven auf? Andere sexualwissenschaftliche Weisheiten, die für wenige Eurocent in jedem intellektuellen Gemischtwarenladen zu haben sind, klingen in der SZ-Werbung so: „Guter Sex passiert für die meisten Frauen nicht einfach so“. Guter Journalismus offensichtlich auch nicht.
Auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen macht online vor allem mit seiner Sexyness Werbung (entdecke den Fehler im vorangehenden Satz!). Das ZDF etwa weiß zu erzählen: „So gesund ist Sex“. Symbolabbildung dazu: Zwei Fußpaare, die unter einer Decke hervorlugen. Eine andere Info, die @zdfinfo parat hält, hat richtig knallharte Neuigkeiten für die RundfunkbeitragszahlerInnen: „So sagt man zu Penis in anderen Ländern“. Seitdem weiß ich, dass die Norweger „Keule“ sagen und die Spanier „Chorizo“: Der nächste Besuch im spanischen Restaurant wird definitiv von bislang unbekannten Gefühlen begleitet!
Tschö, Online-Journalismus
Es wird viel von der Boulevardisierung des Journalismus.online gesprochen und geschrieben. Wenn man sich die Onlinewerbung journalistischer Medien auf Social Media-Plattformen ansieht, erhält man Indizien, was mit dieser Boulevardisierung gemeint sein könnte. Um Fakten, Fakten, Fakten geht es jedenfalls nicht mehr. Was online noch zieht, sind offensichtlich Unterhoseninhalte. Man kann das scheiße finden, bleibt aber dabei im Thema. Darauf erst einmal ein Stückchen Chorizo!
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