In der Berichterstattung über politische Randbereiche geht es sprachlich ziemlich durcheinander. Rechtsextrem? Linksradikal? Populistisch? Fanatisch? Alles dasselbe? Dieser Beitrag will aufklären.
Faschisten bevölkern wieder die deutschen Parlamente, sie begehen Mordtaten auf Deutschlands Straßen und sie geistern auch durch die Zeilen der Gazetten und die Nachrichten in Radio und Fernsehen. Aber wie eigentlich von ihnen sprechen? Handelt es sich um „Extremisten“ oder „Radikale“, macht es einen Unterschied, ob es sich um „Linke“ oder „Rechte“ handelt? Die Antwort ist nicht ganz einfach, weil die Begriffe in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen (und erst recht je nach politischer Coleur) auch ganz unterschiedlich definiert werden.
Politischer Extremismus
Der „Extremismus“ ist da noch am ehesten recht eindeutig zu definieren: Beim „politischen Extremismus“ geht es um Anschauungen oder auch Handlungen, die sich insgesamt gegen die Demokratie und eine pluralistische, „offene“ Gesellschaft richten. Insbesondere wenn die Gewaltenteilung als Basis einer pluralistischen Demokratie, wenn allgemeine Menschenrechte, das Rechtsstaatsprinzip oder die Volkssouveränität in Frage gestellt werden, kann von politischem Extremismus gesprochen werden. Nicht gemeint sind mit dem Extremismus-Vorwurf allgemeine staatskritische Aussagen. Diese sind im Gegenteil durch gerade jene Menschen- und Bürgerrechte legitimiert, die Extremisten in Zweifel ziehen, vor allem durch die Meinungsfreiheit.
Die Verfassungsschutzbehörden bezeichnen alle Bestrebungen gegen die sogenannte freiheitlich-demokratische Grundordnung und damit gegen den Kernbestand des Grundgesetzes (nicht aber gegen das Grundgesetz als Ganzes!) als extremistisch.
Neben dem politischen Extremismus kann es noch andere Extremisten geben. Hier wären vor allem religiöse Extremisten zu nennen, die die eigenen religiösen Anschauungen über die Prinzipien des demokratischen Staates stellen.
Politischer Radikalismus
Der „Radikalismus“ leitet sich vom lateinischen „radix“ für „Wurzel“ ab. Wer radikal ist, denkt oder spricht, der geht den Dingen auf den Grund, der stellt grundlegende Fragen. Ein Radikaler ist deswegen aber noch kein Extremist, denn wer radikal denkt oder spricht, der stellt damit noch nicht die Grundlagen von Demokratie und Pluralismus in Frage. Ein radikal Liberaler ist beispielsweise jemand, der die Gültigkeit der Marktgesetze bis in die letzte Konsequenz hinein durchsetzen möchte. Der Begriff Radikalismus wird im Alltag und in den Medien relativ häufig, allerdings sehr unscharf verwendet. Die sozialwissenschaftliche Extremismusforschung dagegen benutzt den Begriff gar nicht.
Hier wäre schon zu fragen, ob überhaupt von Radikalismus gesprochen werden kann, wenn jemand rassistische oder chauvinistische Anschauungen ins Zentrum seines politischen Denkens und Handelns stellt. Denn da diese Meinungen keine sachliche oder wissenschaftliche Grundlagen haben (es gibt keine menschlichen „Rassen“, und es gibt auch keine systematischen Vorzüge einer Nation und ihrer Angehörigen gegenüber einer anderen), kann man auch nicht an die „Wurzel“ dieses Verständnisses zurück. Ein nationalistischer, rassistischer oder sexistischer „Radikaler“ kann darum schon deswegen nicht existieren, weil die zugrunde liegenden Ismen keine Basis haben.
Demgegenüber werden in der öffentlichen Debatte häufig politische Akteure als „Radikale“ bezeichnet, wenn sie sich in einem „Graubereich“ zwischen gerade noch legaler und im Einklang mit Menschenrechten und Grundgesetz befindlicher Meinungsäußerung und extremistischen Positionen befinden. Auch der Verfassungsschutz verwendet hin und wieder den Begriff Radikalismus. In einem Beitrag des Humanistischen Pressedienstes ist dazu zu lesen:
„Damit wollen sie politische Bestrebungen definitorisch erfassen, die sich noch im Rahmen des Verfassungsbogens, aber an dessen Rand bewegen“.
Populismus
Der Populismus ist keine Anschauung oder Meinung, sondern eine Methode. Dahinter steckt erst einmal kein extremistischer Gedanke, sondern eine Sprech- und Publikationsweise, die argumentativ grundsätzlich nur die Minimalkonsense bemüht, simplizistische Erklärungen für komplexe Sachverhalte bietet und, wie es die Redewendung ausdrückt, „dem Volk nach dem Maul redet“. Im „Populismus“ steckt denn auch das lateinische „populus“ für „Volk“.
Aber in bestimmter Weise ist der Populismus doch mehr als nur eine Kommunikationsform, denn ganz ohne inhaltliche Festlegung kommt er nicht aus. Hinter dem populistischen „Wir gegen die anderen“ steckt nämlich ein ganz bestimmter Elitendiskurs, der voraussetzt, die politischen und gesellschaftlichen Eliten seien vom „Volk“ entfremdet und es sei der Populist, der diese Entfremdung heilen und den „Massen“, dem „Volk“, den „Unterdrückten“ eine Stimme gebe. Diese verstärkte „Wir/die Anderen“-Konstruktion kann sozialwissenschaftlich auch als „Othering“ bezeichnet werden und sich neben den gesellschaftlichen Eliten auch gegen andere Gruppen und Player richten, zum Beispiel Minderheiten, Zuwanderer oder ethnische Gruppen. Der Populist als „Heiler“, „Kümmerer“ oder gar „Retter“ wiederum deutet auf ein sehr strikt hierarchisch organisiertes Gesellschaftsbild hin. All dies zusammengenommen stehen Populisten dem rechtsextremistischen Denken sicherlich näher als irgendwelchen vermeintlich linken Auffassungen von Staat und Gesellschaft. Allerdings hat es in der Geschichte auch linke Populisten gegeben, die dann aber häufig gerade chauvinistische Reflexe bedient haben (was dann wiederum ihr „Links-Sein“ in Frage stellt).
Die vermeintliche Volkstümlichkeit oder Volksnähe von Populisten muss aber kritisch betrachtet werden. Dies drückt auch der Humanistische Pressedienst in seinem Beitrag zum Thema aus:
„Dies hat – entgegen dem Selbstverständnis von Populisten – nichts mit realer ‚Volksnähe‘ zu tun. Behauptet man doch um der manipulativen Effekte willen, dass hier die wahren Interessen des Volkes artikuliert werden würden. Tatsächlich können Populisten meist nur starke Minderheiten der Bevölkerung für sich mobilisieren. Ihre Auffassung, man sei die „Stimme des Volkes“, zeugt von Anmaßung, fehlt es dafür doch an demokratischer Legitimation“.
Links? Rechts? Extrem? Was denn nun?
Das Links-Rechts-Schema geht zurück auf die französische Nationalversammlung, in der die politischen Kräfte, die für eine Veränderung der gesellschaftlichen Ordnung waren, vom Präsidenten aus links saßen, während die Abgeordneten, die für die Beibehaltung der Gesellschaftsordnung waren, rechts saßen. Dieses Schema ist ein bipolares, sprich: Entweder – oder. Eine politische „Mitte“ kann es demnach gar nicht geben, man muss sich schon entscheiden. Seit dem 20. Jahrhundert werden als linke Positionen solche bezeichnet, die eher für staatlichen Interventionismus und staatliche Lenkung oder Regulierung (beispielsweise der Wirtschaft) sind, während rechte Positionen die Marktliberalität betonen. Auf der rechten Seite stehen auch die konservativen „Werte“ wie z.B. ein sehr traditionelles Frauen- und Familienbild oder ein Ausbau des staatlichen Sicherheitsapparats (obwohl das hinwiederum ja auch ein staatlicher Direktivismus und damit eigentlich eine „linke“ Position wäre). Die von der Politik so gerne adressierte gesellschaftliche „Mitte“ ist gar keine politische Mitte, sondern eine angenommene Mehrheit der Bevölkerung, die sich eigentlich gar nicht recht für Politik interessiert, sondern „die da oben“ solange machen lässt, wie die gesellschaftliche Wohlfahrt vorankommt, und ansonsten vor allem das Heil im privaten Glück sucht (zum Beispiel in Freizeitaktivitäten, Hobbies oder Reisen).
Wenn es in der medialen Berichterstattung Unsicherheiten bei der Verwendung all dieser Begriffe gibt, dann vor allem im Umgang mit der AfD. Dabei machen deren programmatische Positionen und die öffentlichen Äußerungen ihrer politischen Führung die politische Positionierung sehr klar und einfach: Die AfD ist eine rechtsextremistische Partei, sie ist chauvinistisch, sexistisch, ausgrenzend und spricht der gesellschaftlichen Pluralität und den Grundwerten der Verfassung Hohn. Genau aus diesem Grund sollte man sie auch als rechtsextremistische Partei bezeichnen und als nichts anderes.
Häufig hört und liest man aber im Zusammenhang mit der AfD davon, es handle sich um die „Rechten“. Das aber ist eine grobe Verharmlosung und Irreführung. Die CSU ist eine rechte Partei: Sie ist zutiefst konservativ, stark marktorientiert und sieht selbst kleine gesellschaftliche Veränderungen (z.B. ein Gesetz gegen Vergewaltigung in der Ehe) kritisch. Die CDU ist in weiten Teilen ebenfalls eine rechte Partei – jedoch gerade in ihrem Markenkern, der christlichen Orientierung, finden sich einige „Herz-Jesu-Marxisten“, die oft gerade in sozialen und wirtschaftlichen Fragen durchaus linke Positionen bemühen. Der politisch rechte und konservative Appeal von CDU und CSU zeigt sich vielleicht nirgends besser als in der Umweltpolitik. Obwohl weite Teile der Wissenschaft und der Bevölkerung seit Jahrzehnten auf die katastrophalen ökologischen Folgen unserer Lebensweise hinweisen, waren gesellschaftliche Veränderungen in diesem Feld unter der Ägide und Regierungsbeteiligung der C-Parteien gar nicht (Tempolimit) oder nur im Schneckentempo (Braunkohle) möglich.
Die AfD ist aber nicht in diesem Sinne „rechts“. Sie bremst ja nicht gesellschaftliche Prozesse, sondern sie leugnet geradezu die Ursachen, die zu diesen Prozessen führen müssen. Das lässt sich beispielsweise in der Klimadebatte recht einfach zeigen, wenn die globale Überhitzung als „natürliches Phänomen“ beschrieben wird. Das ist keine rationale Position mehr, sondern Extremismus, und so sollte man die Partei denn auch titulieren. Gerade in der Frage des Umgangs mit ausländischen Mitbürger*innen und Migrant*innen, die für die AfD ja eine Schlüsselfrage ist, zeigt sich ihr verfassungs- und menschenrechtsfeindlicher Politkern (Stichwort „Schießbefehl“).
Wenn die AfD sich selbst gerne als „bürgerliche“ Partei stilisiert, will sie damit an einige jener konservativen Positionen anschließen, die auch sehr weit rechts stehende Repräsentanten der C-Parteien teilen, insbesondere vielleicht das Familienbild (obwohl gerade das von der AfD-Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag ja konterkariert wird). Mit der Bezeichnung „bürgerlich“, wie sie beispielsweise gerne für liberale Parteien wie die FDP verwendet wird, wird auf den Menschen als „Citoyen“, als Staatsbürger und Souverän der Demokratie hingewiesen, während die AfD, vor allem in jenem „Flügel“-Umfeld, das auch offen faschistische und nationalsozialistische Bezüge verwendet, den Bürger vor allem als Untertan, nicht aber als gleichwertiges Mitglied in der pluralen Gesellschaft kennt.
Also: Die AfD ist weder eine „bürgerliche“, noch eine „rechte“ Partei. Sie ist eine rechtsextremistische Gruppierung, die die Grundlage unseres Staates in Frage stellt, und als solche sollte sie auch in den Medien bezeichnet werden.
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