Der deutsche Ableger von Buzzfeed wird zur Ippen Digital-Gruppe wechseln. Der Übergang sagt viel über den Zustand des Journalismus.online in der aktuellen Situation.
Lustige Listicals: Das ist wohl das, das User vor allem mit dem Internetportal Buzzfeed verbinden. „15 Beweise, dass Katzenknochen aus Spaghetti bestehen“ – „17 absurde Vorstellungen, die Leute in ihrer Kindheit von Sex hatten“ – „19 Fakten über den menschlichen Körper, über die du am besten nicht zu viel nachdenkst“ – für solche Überschriften ist das Portal berühmt. Die Zahl muss übrigens immer ungerade sein, haben irgendwelche Medienpsycholog*innen herausgefunden, dann werden die entsprechenden Beiträge nämlich 25% häufiger angeklickt. Aber das nur nebenbei.
Seit 2014 gab es einen deutschen Ableger mit einer eigenen Redaktion in Berlin. Neben unterhaltungsorientierten Inhalten hat sich Buzzfeed Deutschland mit investigativen Recherchen hervorgetan und damit durchaus Akzente im Onlinejournalismus gesetzt. Aber klickstark waren diese journalistischen Inhalte wohl nicht — jedenfalls nicht so, dass sich daraus ein überlebensfähiges Wirtschaftsmodell entwickelt hätte. Der Buzzfeed-Europachef Mark Rogers soll in einem Brief an die deutschen Beschäftigten auf den weltweiten wirtschaftlichen Abschwung verwiesen haben — die Coronavirus-Krise habe niemand vorhersehen können. Man tue alles, um das Unternehmen langfristig zu sichern, es gebe zugleich derzeit keine Ressourcen, Geschäfte zu finanzieren, die vor der Krise noch nicht stark waren.
Die Corona-Krise ist aber vielleicht nur ein spezifischer Auslöser für eine Misere, die nicht nur Buzzfeed betrifft. Auch andere genuine Online-Formate und -Portale, die eine Weile definiert haben, wie eine an der jungen Zielgruppe orientierte Online-Ansprache funktioniert, stehen mächtig unter Druck und haben bereits einiges an Strahlkraft verloren. Vice wäre hier vielleicht zu nennen. Sie generierten Aufmerksamkeit, solange sie neu waren und mit bis dahin ungewohnten Darstellungsformen eine neue Qualität ins journalistische Erzählen auf Onlineplattformen brachten. Letztlich setzte sich aber großflächig und werbewirksam doch die inhaltliche Anspruchslosigkeit durch. Wenn man sich anguckt, was Portale wie Focus Online, Merkur.de oder auch Stern.de auf die oberen Ränge des Journalismus.online gebracht haben, sind es doch (höflich formuliert) die unterhaltungsorientierten Inhalte, die noch dazu wenig bis gar keinen Rechercheaufwand mit sich bringen.
Der Westfälische Anzeiger rettet Buzzfeed?
Ippen Digital ist der Onlineableger des Verlagskonglomerats von Dirk Ippen, das unter anderem die Tageszeitungen Münchner Merkur, tz, den Westfälischen Anzeiger, die Frankfurter Rundschau und viele weitere Tageszeitungen von Flensburg bis Garmisch umfasst. Als Redaktionsnetzwerk betreibt Ippen Digital von München aus die Onlineportale von 80 Zeitungstiteln. Mit der Übernahme der deutschen Buzzfeed-Redaktion kann Ippen nicht nur auf die originären Recherchen der deutschen Crew setzen, sondern im Rahmen umfassenderer Lizenzvereinbarungen mit der internationalen Buzzfeed-Ausgabe auch auf die unterhaltsamen und populären Inhalte zugreifen: Listicals demnächst also auch auf den Onlineportalen der Ippen-Blätter.
Was die Finanzierung des Onlinejournalismus angeht, lehrt der Deal aber noch etwas anderes: Denn auch Ippen Digital bekommt seine wirtschaftliche Power bisher vor allem noch von den Schwestermarken aus dem Print-Bereich. Auch hier also scheint es so zu sein, dass die „alte“ Printwelt den „neuen“ Journalismus.online quersubventioniert. Der Westfälische Anzeiger rettet Buzzfeed, wer hätte so etwas mal vermutet…
Kommentar hinterlassen