Was Klickzahlen angeht, offenbart der Journalismus.online viel über seine Macher, aber auch über sein User. Boulevard, Sport und Clickbaiting bestimmen vielfach das Bild. Aber auch Qualitätsjournalismus findet online massenhaft Leserinnen und Leser.
Die Arbeitsgemeinschaft Onlineforschung (AGOF) ermittelt im Auftrag der Werbeindustrie und von Werbedienstleistern die Zahl der Besucher von Webseiten. „Unique User“ heißt die Zähleinheit und ist die Währung der Onlineindustrie. Gezählt wird nämlich der Besuchsvorgang innerhalb einer bestimmten Periode und nicht die einzelnen Klicks. Bildergalerien erhöhen also nicht die ermittelte Zahl der Besucher einer Webseite. Der Branchendienst Meedia erstellt aus den AGOF-Zahlen ein Ranking der redaktionellen Onlineseiten.
Ganz vorne in diesem Ranking liegt bild.de mit gut 5 Mio. Besuchern täglich. Auf Platz 2 liegt als beste seriöse journalistische Quelle spiegel.de, und auf Platz 3 Focus Online. Der Boulevardjournalismus und anspruchslose journalistische Kost sind also eher vorherrschend im Onlinejournalismus. Der Erfolg des Spiegel als einer der ältesten journalistischen Onlinequellen ist auch Frucht hoher Investitionen in diesen Bereich, hat doch der Spiegel eine der größten und personalstärksten Onlineredaktionen.
T-online profitiert von der Stärke der Medienmarke, hat aber seit der Übernahme durch die Werbefirma Stroer auch erheblich in journalistisches Know-how investiert und wird inzwischen als journalistische Quelle ernstgenommen. Mit Chefredakteur Florian Harms, der von Spiegel Online gekommen ist, ist ein Profi am Werk, auch wenn t-online neben “hard news” auch viel Buntes und Boulevardeskes unter die Inhalte mischt.
Mit der “Welt”, “ntv” und “upday” sind Nachrichtenmarken ganz oben in den Top Ten mit dabei, die vor allem auch Bewegtbild zu bieten haben. “Upday” ist die News-App, die mittlerweile auf Samsung-Smartphones vorinstalliert ist und schon dadurch erhebliche Reichweite generiert. Der Dienst wird ebenso wie die Tageszeitung “Die Welt” vom Axel-Springer-Verlag bespielt. “Die Welt” hat sich den TV-Nachrichtenkanal n24 einverleibt und profitiert nach wie vor auch von dessen Reichweite und der Beliebtheit von Videoinhalten wegen der inzwischen auch mobil guten Übertragungsbandbreite.
Der “Kicker” hat, wie auch einige andere Sportmarken, im Juni erheblich an Reichweite verloren. In der fußballfreien Zeit ist das Interesse an Sportthemen eben offenbar, trotz Frauen-WM und U21-EM im Fußball, sehr niedrig: Saisongeschäft. Gerade für kleinere Redaktionen ist das aber problematisch, weil entsprechend die Werbeeinnahmen zurückgehen, während die Redaktion weiter bezahlt werden möchte. Hier hilft vermutlich nur Diversifikation in andere Ressort mit anderen Onlinediensten.
Erheblich eingebüßt hat auch die Münchener Tageszeitung “Merkur”, und zwar um 26%. Das ist durchaus erfreulich, denn online hat sich der “Merkur” leider vor allem mit Trash und dümmlichem Clickbaiting in die Top Ten gewanzt und damit die eigene bürgerliche Medienmarke nachhaltig beschädigt.
Bemerkenswert ist der Aufstieg von rtl.de: Der Kölner Fernsehsender hatte lange keine rechte Onlinestrategie und wußte im Internet mit der eigenen starken Medienmarke wenig anzufangen. Offenbar hat es hier einen Strategiewechsel gegeben, auch beflügelt dadurch, dass einige neue Köpfe wie zum Beispiel Tanit Koch, die zuvor Bild-Chefredakteurin war, mit viel Onlineerfahrung an den Rhein gewechselt sind.
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